Keßlers KETZEREIEN 

 

Vorwort

 

Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmen kann mit dem, was uns Schule, Medien und sogenannte Experten weismachen wollen? Dass unser Weltbild zumindest in einigen Punkten falsch ist? Mit dem vorliegenden Buch, welches nicht von ungefähr "Keßlers Ketzereien" heißt, möchte ich zum Nachdenken über scheinbar festgefügte Glaubenssätze anregen. Nicht mehr, nicht weniger. Dabei habe ich nicht den Anspruch, belehrend zu sein. Es ist einem Jeden unbenommen, sich selbst seine Meinung zu bilden. Dazu bedarf es aber vielseitiger Informationen. Leider hat sich gerade in den Wissenschaften ein inquisitorischer Eifer breitgemacht, wenn es um die Bekämpfung von Querdenkertum und differierenden Lehrmeinungen geht, genauso wie ihn vor wenigen Jahrhunderten noch die katholische Kirche an den Tag legte. Informationen werden gefiltert, Wissen unterdrückt. Und nicht selten setzen Abweichler ihre Reputation aufs Spiel, wenn sie sich gegen die herrschende Meinung stellen.

    Dieses Buch ist in erster Linie eine Auflistung von Fakten ergänzt durch eigene Betrachtungen, Berechnungen und Recherchen. Dabei lasse ich dem gesunden Menschenverstand den Vortritt gegenüber scheinbar zementiertem Lehrbuchwissen. Der geneigte Leser wird sicher über manches schmunzeln, sich vielleicht empören oder gar das Geschriebene rundheraus ablehnen. Wer sich jedoch mit dem begnügt, was bei Wikipedia steht und sein Weltbild nicht infrage stellen will, dem empfehle ich "Hände weg von diesem Buch!

 

Dödel-City 1.0

 

 Dies ist die Geschichte von Horst und Tsuden. Beide sind aufgewachsen in der Stadt. Beide sind dort wieder gestrandet. In jenem Gemeinwesen, dass schwer beladen ist von den Versäumnissen und Fehlern der Vergangenheit. Beide versuchen ihr Leben zu meistern, mit fraglichem Erfolg. Dabei müssen sie schnell einsehen, dass in der Stadt für sie eigentlich kein Platz mehr ist. Sie sind eher eine Last. Und so pendeln sie dahin zwischen Arbeitsagentur und Langeweile, immer im gleichen Trott. Vergessen in einer Gesellschaft, die bestimmt ist von hektischem Tun, Augen- und Smartphonewischerei und ubiquitärer Oberflächlichkeit.

 

Dies ist auch die jüngere Geschichte einer Stadt irgendwo in Ostdeutschland. Eine Stadt, die von unfähigen Politikern und korrupten Treuhändern zugrunde gewirtschaftet wurde. Die einst zu den reichsten im Land zählte und nun völlig pleite ist. Eine Stadt, die sich selbst blendet, die merkwürdige Menschen anzieht und wo minderer Intellekt salonfähig ist. Wo viel schwadroniert und gelabert und wenig angepackt wird. Wo man sich in fast erbarmungswürdiger Hilflosigkeit zu immer neuen obskuren Phantasien hinreißen lässt, die, gleich einem Tropfen Wasser auf der heißen Herdplatte, erst ein wenig herumtänzeln, um dann recht schnell zu verdampfen. Es ist eine Stadt, wie es viele gibt hierzulande. Die in der großen Politik nur Beachtung findet, wenn es mal wieder gilt, eine Wahl zu gewinnen.

 

Sie haben sich an einem jener tristen Novemberabende kennengelernt, an denen man lieber aus dem Fenster springt, als auch nur einen Moment an Frohsinn zu denken. Horst, der arbeitslose Bergmann, und Tsuden, die Teilzeitkellnerin. Mitten im tristen Grau wabernder Nebel, die die ohnehin nicht freundliche Straße noch unheimlicher erscheinen ließen, sind übereinander hergefallen - wörtlich genommen. Sie trat gerade in dem Moment rücklings aus der Tür, bemüht mit ihrer rosafarbenen Jacke unter keinen Umständen die klebrige Hauswand zu berühren, als er, nur einige Sekunden unaufmerksam, einen Schritt nach hinten machte. Und urplötzlich lag sie auf ihm. Im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Tsuden - diesen exotischen Namen verdankt sie ihrer Mutter, der deutsch-sowjetischen Freundschaft in der DDR und einer heftigen Zeit an der Erdgastrasse irgendwo in der russischen Steppe - damals in den Siebzigern. Als die Kragenenden noch weit über die Schultern ragten und  Poster von ABBA oder den Bay City Rollers aus keinem Jugendzimmer wegzudenken waren. Tsuden - das bedeutet "zarte Blüte" in irgendeiner dieser asiatischen Regionalsprachen, ihre Mutter hat es ihr vor vielen Jahren einmal erklärt - sie hat es vergessen. Immer wenn sie sich unter Stöhnen in ihre Lieblingsjeans manövriert, muss sie an diese Übersetzung denken. Dann lächelt sie süßsauer und denkt an die Zeit zurück, als der Name noch zutraf und ihre Figur auf jeder Jugendtanzveranstaltung für Aufsehen und so manche Spontanerektion bei den Junghengsten sorgte. Sie war jetzt neunundvierzig Jahre - ein Alter, in dem Frauen ihres Schlages nicht mehr wählerisch sein dürfen wenn es um Paarung ging.

    Nein, nicht dass sie keine Chancen gehabt hätte, damals als Jungfacharbeiterin für Elektronik in der Stadt, wo sich ihre Mutter berufsbedingt niedergelassen hatte. Sie war beliebt, hatte schon als Backfisch einen Hauch von Verruchtheit und brauchte sich demzufolge über fehlende Avancen nicht zu beklagen. Kurz nachdem sich ihr Vater in seinem Betrieb einer blonden Volontärin zuwandte und eines Abends nicht mehr nach Hause kam, tröstete sich ihre Mutter recht rasch mit einem Fünfzigjährigen, dessen Bauchumfang vom Umfang seines Bankkontos noch übertroffen wurde. Es läuft ihr heute noch eisig den Rücken herunter, wenn sie sich an die plumpen Hände dieses Mannes erinnert, die, gleich unförmigen Würsten fett und glänzend viel zu oft ihren Kopf und ihre Hüften betatschten, während ihre Mutter wegsah. Kein Wunder, dass sie mit sechzehn von zu Hause fortlief und sich mit wechselnden Partnern, nicht wenige doppelt so alt wie sie, einen mehr oder minder großen Lebensabschnitt teilte. Dank eines drahtigen Holländers, der jedes Jahr zweimal im Interhotel der Stadt logierte, um an einer nahegelegenen Messe Geschäfte zu machen und der eine Schwäche für schlanke Siebzehnjährige hatte, erwarb sie sich Westgeld und somit ein klein wenig von diesem Zustand, welchen nicht wenige als Freiheit bezeichneten. Damals im Ostteil eines zerrissenen Landes. Es machte ihr nichts aus, mit ihm ins Bett zu gehen, während vom Nachttisch her eine sehr blonde Frau mit rosigen Wangen und zwei ebenso blonde Kinder goldgerahmt herüber lächelten. Und in Erwartung devisenglänzender Belohnung ließ sie Dinge zu, die ihr noch heute die Schamesröte in Gesicht treiben. Aber die neidischen Blicke der Freundinnen bei der  nächsten Disco, wenn sie die neueste Westmode auftrug und nach Intershop riechend den Kerlen den Kopf verdrehte, ließ dies alles damals in einem anderen Licht erscheinen.

    An ihre erste Ehe mit Volker erinnerte sie sich kaum noch. Nur manchmal, wenn sie kellnerte, erkannte sie ihn in den glasig-geilen Blicken manches Gastes wieder, wenn er frühmorgens von seiner Sauftour zurückkam, stinkend und manchmal noch die Spuren billigen Lippenstiftes am Hemd. Volker war ihr Arbeitskollege, sah passabel aus und hatte ein Anwesen von seiner Tante geerbt, welches für damalige Verhältnisse geradezu fürstlich zu nennen war. Sein Einkommen nebst Schwarzarbeit versprach ihr Sicherheit und so dauerte es gerade mal ein Jahr, bis Sven-Eric zur Welt kam. Krampfhaft versuchte sie die immer ausschweifenderen Eskapaden ihres Mannes zu verdrängen, bis zu dem Tag, als sie ihn mit Heidrun, der Tippse vom Abteilungsleiter in ihrem eigenen Wohnwagen erwischte. In einer Situation, die über beider Absichten keine Zweifel zuließ. Das Maß war voll, für Beide. Volker reichte die Scheidung ein, sie gab das Kind zu ihrer Mutter, die inzwischen auf zwei weitere gescheiterte Beziehungen und eine Entziehungskur zurückblicken konnte.

    Die erste Gelegenheit ergreifend wechselte sie 1989 über Ungarn in den Westen. Nach Füssen ins Allgäu. Das einzige Mal in ihrem Leben, als sie sich als Heldin fühlen durfte, in der Euphorie der Wende. Sogar das Regionalfernsehen machte ein Interview mit ihr und der Bürgermeister gab Schnaps aus. Ein örtlicher Hotelier, braungebrannt, mit Schnurrbart und Designeranzug, spendierte zusätzlich noch Champagner mit dem Ziel, sie als eine Art Dauergeliebte in einem seiner Hotels zu parken. Nicht der unverständliche Dialekt war daran schuld, auch nicht die oft zotigen Witze der Hotelgäste, allzu bald spürte sie, dass sie einfach nicht hier her gehörte. Und schon gar nicht auf Abruf dieses Schönlings, der nach Bekunden ihrer Kolleginnen nicht nur ein Dutzend Hotels, sondern auch mindestens gleichviele Gespielinnen hatte. Eines Tages, die Sommersaison war fast zu Ende, packte sie ihre Sachen, kündigte ihre Stellung und ihr Fünfzig-Quadratmeter-Appartement, für dessen Miete sie nicht aufkommen musste, solange ihr Chef einen Schlüssel dafür besaß und machte sich auf in die Heimat.

    Ihre Mutter hatte sich dank eines Rückenleidens und eines zuvorkommenden Arztes invalidisieren lassen. Sven-Eric, mittlerweile achtzehn Jahre alt, war in der Schule ein kompletter Versager gewesen, jedoch sportlich wie sein Vater. Leider umgab er sich mit den falschen Freunden. Seine erste Jugendstrafe hatte er bereits mit fünfzehn hinter sich. Der Rentner, den er gemeinsam mit zwei seiner Kumpels verprügelt und beraubt hatte, traute sich seit dem nicht mehr aus seiner Wohnung. Mittlerweile lebte Sven-Eric in Berlin. Was er dort so genau machte, wusste niemand. In den seltenen Telefonaten gab er sich zumeist einsilbig, wenn es um seine Arbeit ging.

Zurück in der Heimat umfing Tsuden sofort der Hauch des Wilden Ostens. In ihrer Heimatstadt war in Rekordzeit fast sämtliche Industrie von der Treuhand, die für Manche eine staatlich subventionierte Verbrecherorganisation darstellte, ausradiert worden. Dafür gab es an fast jeder Ecke einen Gebrauchtwagenhandel, einen Supermarkt oder ein als Nachtbar getarntes Bordell. Endlich Freiheit statt Sozialismus! Tsuden, gestählt durch ihre bisherigen Erfahrungen im "Westen", musste oft lächeln, wenn sie in die offenen Münder ihrer Mitbürger beim Betrachten der Auslagen der neu entstandenen Modegeschäfte sah. Und im Manchester-Kapitalismus des Ostens war es keine Seltenheit, einen vormaligen Lagerarbeiter, jetzt angetan mit einem schlechtsitzenden Anzug und geschult in "Trainingscamps", Versicherungen oder Staubsauger verkaufen zu sehen.

Sie suchte sich eine kleine Wohnung an einem sonnigen Südhang im besseren Viertel der Stadt. Dank ihrer Ersparnisse ging es ihr gut und sie blickte ihrer Zukunft optimistisch entgegen. Daran änderte sich auch nichts, als sie ehemalige Arbeitskollegen traf, die ihr Leid klagten, weil sie keine Anstellung mehr fanden. Sie hörte oftmals nur halb hin und dachte bei sich `Wer arbeiten will, bekommt auch Arbeit!´. Auf dem Arbeitsamt der Stadt, welches sich passenderweise nach der Wende zuerst in einer alten Stasi-Zentrale befand, saß sie einem etwa dreiundzwanzigjährigen Sachbearbeiter mit hessischem Dialekt gegenüber, der über seine runden Brillengläser hinwegblickend ihr unmissverständlich klar machte, dass hier in der Stadt für sie kein Job vorhanden war und sie doch eine Umschulung machen solle. Also setzte sie sich nochmal auf die Schulbank und büffelte Zahlenkolonnen, Statistik und Buchhaltung. Nach über einem Jahr lernte sie Gregor kennen, einen etwas behäbigen Schwaben mit monströsem Schnurrbart, der nachts unter einer altmodischen Bartbinde versteckt wurde. Gregor hatte eine Import-Export-Firma. Was er genau machte, wusste sie nicht. Sie zog zu ihm in sein Haus vor den Toren der Stadt. Er wollte, dass sie sich ausschließlich um den Haushalt und die beiden Kinder aus seiner ersten Ehe kümmerte. Anfangs gab es Blumen, teure Reisen und Schmuck, später dann Streit und auch Schläge. Zwei Jahre später standen Gregor vorm Konkurs und sie vor dem Nichts. Mit zwei Koffern und einer albernen pinkfarbenen Hutschachtel verließ sie an einem nasskalten Dezembermorgen das Haus, welches über fast fünf Jahre ihr Heim gewesen war. Sie war froh, dass ihre Mutter die Frage bejahte, ob sie denn mal zwei-drei Wochen bei ihr wohnen könne. Es wurden vierzehn Monate. 

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